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probelesen, psycho´s angel kapi 3
in Schreiben bis die Hände bluten 23.09.2010 16:52von Pierrot_307 • Pie-Rat (Kuchenratti) | 235 Beiträge
3. Claustrophobia – Klaustrophobie
Die Fahrt im Fahrstuhl verbrachten wir beide schweigend. Ich hing meinen Gedanken nach, was Andrey anging, wusste ich nicht, ob ich ihn nun beleidigt hatte oder er einfach nur das selbe tat wie ich. Es ratterte ein wenig, als die Kabine nach unten sank. Gemächlich. Man sollte es so wenig wie möglich spüren, doch Start und Ende dieser Tyrannei blieben einem nicht erspart.
Die Enge der Kabine barg keine Sicherheit für mich, im Gegenteil. Ich war gefangen zwischen 4 Seiten- und jeweils einer Decken und Bodenwand aus stabilem, für die Ewigkeit hergestellten Stahl. Selbst wenn die Kabine abstürzte, müsste man uns zuerst rausfräsen oder das Zeug wegschweißen, bevor man unsere von der Wucht des Aufpralles zerquetschten Körper finden könnte. Alle Wände waren fest verschraubt, verklebt oder weiß der Kuckuck...
Sobald die Türen sich schlossen war man Gefangener des Schachtes. Es gab keinen anderen Weg nach draußen als hoch oder runter zu fahren und dann zu warten, dass man unterwegs nicht stecken blieb. Ich litt nicht an Klaustrophobie, aber meine Ängste kamen nah heran an das, was man als „Angst vor engen Räumen“ bezeichnete. Aufwärts... Abwärts. Wie meine Gefühle, die ich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Wie meine sich nicht zähmbaren Träume und Erinnerungen, die mich Nacht für Nacht und manchmal auch am Tage heimsuchten. Nach nicht einmal 10 Sekunden Fahrt brach mir ein wenig der Schweiss aus. Warum musste ich in solch bescheuerten Situationen an das naheliegendste Worse Case Szenario denken, dass sich mir gerade anbot? Eben darum, weil ich schon genug dieser Worst Case Szenarien durchlebt hatte. Es waren zwar Erinnerungen von mir fremden Personen, doch sie waren doch die meinen. Ich hatte sie in ihren toten Körpern erneut durchlebt. Ich litt nicht unter Klaustrophobie, ich fühlte mich eingeengt in meinem Körper. Manchmal mehr, manchmal weniger. Ich wollte da raus und es gab keinen Weg. Wenn ich einen Ausgang fand, wurde mir die Türe vor der Nase zugeschlagen. Fand ich einen anderen Fluchtweg, kam mir wieder etwas anderes dazwischen. Ich konnte nicht entkommen, ich saß fest in einem Körper, den ich nicht wollte, mit Gedanken, die mich verfolgten und dennoch nicht wirklich die meinen waren.
Die Türen öffneten sich und ich trat hinaus. Froh, das vertraute Geräusch meiner Schuhsohlen auf dem blank polierten Boden zu hören.
Tap Tap Tap. Schritt für Schritt weg von diesem Ungetüm von Fahrstuhl, dessen grell leuchtendes Maul sich wieder schloss und nach oben fuhr. Andrey schritt mir zügig nach.
„Mein Wagen steht gleich dort drüben.“ meinte er und zeigte auf ein schwarz lackiertes Auto Marke Jaguar. Es war ein Jaguar XL um genau zu sein. Ein Zweisitzer. Schlagartig sehnte ich mich nach der Geräumigkeit des Fahrstuhles, der aber wieder die 53 Stockwerke nach oben unterwegs war. Zu einer Flucht war es bereits viel zu spät.
Höflich öffnete Andrey mir die Türe, nachdem er das Schloss elektrisch mit dem Autoschlüssel entriegelt hatte und ich stieg ein.
Ein schwarzer Jaguar XL, Zweisitzer, mit roter Lederinnenausstattung... Ich war sowas von begeistert.
Träge schnallte ich mich an, und schloss danach kurz die Augen, versuchte, vor meinem inneren Auge Schneeflocken zu sehen. Schnee beruhigte mich immer, denn Schnee fiel nur, wo es keine Decke und keine Wände gab. Ich hatte keine Platzangst. Ich fühlte mich lediglich in größeren Räumen oder weiten Landflächen wohler, ich hasste es, irgendwo eingesperrt zu sein, lediglich die Angst, was in diesen Räumen, aus denen ich nicht in der Lage war zu fliehen, alles mit mir geschehen konnte trieb mich in den Wahnsinn. Kein Ort, sich zurückzuziehen und zu verschnaufen. Das war den vielen Opfern, die ich bisher gescannt hatte, auch nicht erspart geblieben. Im Moment hielt ich es noch aus. Solange ich nicht reden musste, konnte ich mich auf den Schnee konzentrieren, der vor meinem inneren Auge fiel und mich umgab. Kälte war schöner als die Hitze der Sonne.
Mein Begleiter setzte sich ebenfalls, schloss die Türe, startete den Motor, schnallte sich an und griff nach der Handbremse. Fast schon rechnete ich damit, „zufällig“ am Bein gestreift zu werden, eine leichte, unscheinbare aber dennoch deutliche Berührung.
Als diese ausblieb seufzte ich schon fast erleichtert auf.
„Weshalb haben sie vorhin versucht, in meinem Kopf herumzuschnüffeln? Wären sie vielleicht so freundlich es mir zu sagen?“
Wir waren kaum aus der Ausfahrt draußen, da hatte ich auch schon gleich die erste, scharfe Frage rausgehauen. Bravo, Angel, so führte man ein nettes Gespräch unter... ja, unter was eigentlich?
Mein erstauntes Gesicht schien ihn nicht weiter zu interessieren. Doch mich machte es fuchsteufelswild. Ich hatte gefragt, ohne es zu wollen. Ich wollte die Ruhe geniessen, mir in der Stille Schneeflocken vorstellen und nicht an die Enge des Wagens erinnert werden, der fast Geräuschlos über den Asphalt glitt.
Ohne den Blick von eben jenem zu nehmen, antwortete er, als sei nichts gewesen, als hätte er den scharfen, ungewollten Unterton nicht bemerkt. „Was meinen sie, Miss Reeds?“
Es verwunderte mich nicht im Geringsten, dass er mich mit meinem Nachnamen ansprach. Immerhin hatte ich ihn vorhin in meiner Wohnung ganz klar in seine Schranken gewiesen. Halt dich aus meinem Scheiß raus, auch wenn es mir beschissen geht, aber wenn ich wen brauche, dann werd ich mich schon drum kümmern. Lass mich einfach in Ruhe und mir geht es blendend...
Er hielt sich daran, auch wenn ich gerade alles andere als nett zu ihm war. Und es war okay. Er war nicht auf Streit aus, ich war ihm hoffentlich genauso egal wie er mir. „Ich meine vorhin, als ich unter der Dusche stand und sie versucht haben, in meine Gedanken einzudringen. Und streiten sie es nicht ab, ich habe es bemerkt!“
Meine Gedanken sind nämlich alles, was ich noch habe. Und meistens, wenn ich mich nicht an die zahllosen Opfer und aufgeschlitzten Leichen erinnere, beziehungsweise ihre letzten Erinnerungen vor ihrem grausamen Tod durchlebte, dann gehörten sie auch mir allein.
Es hatte niemanden etwas anzugehen, was ich dachte oder fühlte. Oft genug hatte man mich schon gezwungen, in die Erinnerungen Toter einzudringen, die letzten Minuten, Sekunden und schlimmstenfalls sogar Tage zu sehen, bevor die Seele den Körper verließ. Ich war ein Gedankendieb. Ich bestahl Tote, indem ich ihre Erinnerungen las. Aber mein Kopf gehörte mir und kein LEBENDER sollte es jemals wagen, da drin was zu suchen, was ihn nichts anging.
Ein unerwartetes Geräusch jagte mir eine Gänsehaut auf meine Unterarme. Es handelte sich hierbei um ein leises, überlegenes Lachen, welches aus Andreys Richtung kam. „Nun, ich wollte nur testen, ob sie wirklich so gut sind, wie es in den Akten steht. Papier vermag durchaus zu lügen, es ist manipulierbar. Selbst, wenn es den Anschein hat, korrekt ausgefüllt und ohne Makel zu sein. Papier sagt nicht immer die Wahrheit, Gedanken hingegen schon. Verzeihen sie, wenn sie meinen kleinen Test als etwas unverschämt empfunden haben, Miss Reeds.“
Irgendwo musste ich ihm Recht geben. Papier konnte lügen wie gedruckt. Ich musste nur meinen Ausweis ansehen und kannte die Wahrheit. Dennoch gab es ihm nicht das Recht, einfach so durch meine Gedanken zu spazieren wie durch einen öffentlichen Park.
Langsam schloss ich meine Augen, sehnte den Schnee herbei, die tanzenden Flocken, die mein Gesicht streichelten und dann schließlich zu Boden gingen. Lautlos, geräuschlos. Schnee war wunderbar leise. Warum hatte ich nicht ein einziges Mal mein bescheuertes Maul halten können? Nur ein verfluchtes Mal?
Es hätte mir dieses Gespräch in dieser unangenehmen Umgebung erspart. Ich mochte enge Räume nicht... soweit waren wir schon. Ich zog es lieber vor, in großen Hallen zu stehen oder durch Menschenmassen zu laufen, dort waren viele Leute unterwegs, die einem allesamt am Arsch vorbeigingen und über die man nachdenken konnte. Ein kurzer Gedanke „so eine bescheuerte Frisur.“ „Die guckt wie ein Pitbull.“ „Oh Mann, bei dem Kleid bekomm ich Augenkrebs!“
Irgend etwas, was mich von diesem bescheuerten Gedankenkarussell ablenkte. Seit ein paar Jahren schon hatte ich diese nicht mehr unter Kontrolle, musste mich in bestimmten Situationen dazu zwingen, irgend etwas anderes zu tun, was mich ablenkte, damit ich nicht in meine sinnlosen Grübeleien versank. An etwas nicht zu denken, was nicht gedacht werden SOLLTE!
Es war nicht jeden Tag Freitag, denn Freitagabend war die schönste Zeit überhaupt. Manchmal lebte ich nur für den Freitag, führte brav Strichliste, wann es wieder so weit war. Durch Zufall hatte ich einen Club in einer versteckten Seitengasse entdeckt. Der Türsteher ließ nicht jeden hinein und bis heute wusste ich nicht, was der Grund war, aber ich war sofort hineingekommen. An dieser Stelle muss wohl noch erwähnt werden, dass es sich um einen Tanzclub der Gothic-Szene handelte.
Wie bereits erwähnt hatte ich niemanden, den ich als „Freund“ bezeichnen würde, doch ich hielt Kontakt zu einer kleinen Gruppe Leute im Alter von 19-24, mit denen ich mich jede Woche traf. In diesem Club...
Außer meiner Wohnung gab es nur diesen Ort, an dem ich mich sicher und geborgen fühlte. Die Leute, die sich dort aufhalten, sind erträglich. Mehr als alle anderen sonst. Sie wollen leben, für diesen einen Moment die Musik wie Blut durch ihre Adern rauschen fühlen, sich von den Klängen berauschen lassen und eins werden mit den wummernden Bässen. All ihre Probleme und Sorgen haben sie draußen beim Türsteher gelassen.
Sie fragen dich nicht aus, aber ich bin mir sicher, dass sie ein offenes Ohr für mich hätten, sollte ich je den Drang nach einem Gespräch verspüren.
Andrey bremste scharf ab, der Gurt schnitt mir in die Schulter. Ich wollte schon fragen, was der Firlefanz sollte, wir hatten an dieser Kreuzung schließlich grün, als direkt vor meiner Nase ein dunkler, gepanzerter Transporter vorbeirauschte. „Was in aller Welt...?!“ stieß ich geschockt aus und rieb über die Druckstelle an meiner Schulter. Ich hatte nicht wirklich etwas erkennen können, nur ein Transporter eben, doch dann schossen 2 Polizeifahrzeuge ebenfalls über rot und konnten nur knapp einer Frau mit Kinderwagen ausweichen, die gerade über die Straße wollte.
Meine Hand ballte sich zu einer Faust. Es war schlimm genug, wenn solche Spinner von Rasern andere Menschen in Gefahr brachten. Doch sie legten es darauf an, durch die sie verfolgende Polizei unschuldige Leute mitreinzuziehen. DAS war das eigentlich schlimme.
„Ein Banküberfall.“ meinte Andrey trocken. „Die Kerle haben 2 Geiseln genommen, werden aber an der nächsten Kreuzung von einem Lastwagen gestoppt. Die Geiseln werden mit dem Schrecken davon kommen.“ als wäre nichts gewesen legte er den Gang ein und fuhr weiter.
Geiseln... uns sie überleben. Eingequetscht und gefangen in einem gepanzerten Auto, aber sie überleben. Ich zwang mich, die Augen offen zu halten, nur selten zu blinzeln, weil ich befürchtete, das Licht schwinden zu sehen und somit ein wenig näher an diese Geiseln heranzukommen... sei es nur gedanklich, aber das reichte mir meistens schon.
Ein kleiner, dunkler Kasten aus Stahl, schon wieder, nur diesmal stockfinster.
Ich bekam eine Gänsehaut und versuchte, wieder an meine Traumlandschaft zu denken. Eine Talebene voll weißem, unberührtem...
„Woher wissen sie das mit den Geiseln?!“
Der Gedanke kam, kurz bevor ich es aussprach. Er hatte es GEWUSST, hatte sich nicht mit einem „Die Cops haben da alles im Griff.“ abgespeisst, sondern mit einer eintreffenden Tatsache. Für eine zusammen gesponnene Geschichte kam es zu schnell und klang zu einleuchtend. Er hatte GEWUSST, dass dieser Transporter die Ampel missachten würde, hatte gewusst, dass Geiseln im Wagen waren. Aber wie? Klar, er konnte Gedanken lesen, konnte sich in die Köpfe der Menschen in seiner Umgebung einhacken wie ein Computerfreak in den PC eines anderen. Dass er die Ankunft dieser Kerle hatte kommen sehen, musste bedeuten, dass er sehr mächtig war. „Nun, sie sind nicht die einzige Person mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, Miss Reeds.“ meinte er nur trocken und fuhr weiter.
Is mir schlecht... Das FBI wollte mich scheinbar doch zurück, wenn sie jemanden wie ihn schickten um mich zu holen.
Dann doch lieber im Winter durch die gefrorene Oberfläche eines Sees brechen und kurzerhand erfrieren. Fast lautlos. Schnell. Einfach einschlafen und nichts mehr spüren. Weder sehen noch schmecken oder hören können.
„Da sind wir schon.“ meinte Andrey schließlich und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss. Ich war mir nicht sicher, ob meine Beine in der Lage waren, mir zu gehorchen.
Das gerade eben, einfach alles, was bisher passiert war, das war einfach ein bisschen viel auf einmal für mich. Ich konnte nur dann klar denken und funktionieren, wenn ich mich auf etwas oder jemand anderen konzentrieren konnte, wenn ich eine feste Aufgabe im Kopf hatte. Ich hatte noch nie für mich gezählt. Die Narben an meinen Beinen sprachen Bände.
Einmal atmete ich tief durch. Dann wiederholte ich dies. Andrey sah mich schräg von der Seite an. „Stimmt etwas nicht, Miss Reeds?“ fragte er und ich blickte in seine Augen. Zum ersten Mal. Sie waren blau, eisig blau. Da war er wieder, mein zugefrorener See. Die Stille kehrte in mich zurück.
„Sie haben einen grausamen Fahrstil, Andrey.“ sagte ich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und stieg aus dem Wagen. Hinaus in die weite, wandlose, freie Welt.
((frage an die mantis fraktion unter euch: soll ich weiterschreiben, aber aus seiner sicht? also ein erzähler, der ihm quasi über die schulter sieht?
*greetz* pi))
RE: probelesen, psycho´s angel kapi 3
in Schreiben bis die Hände bluten 26.09.2010 15:04von Pierrot_307 • Pie-Rat (Kuchenratti) | 235 Beiträge
RE: probelesen, psycho´s angel kapi 3
in Schreiben bis die Hände bluten 28.09.2010 19:34von blueberry (gelöscht)
Der titel ist gut gewählt und das kapitel bringt den zwist zwischen angels (innerer wie äußerlicher) gefangenschaft und ihrem wunsch nach freiheit und uneingeschränktheit (schnee als symbol) gut zur geltung.
Du verstehst es sehr gut, mit den ängsten der leute zu „spielen“ und damit spannung zu erzeugen. Auch wenn angel keine klaustrophobie hat, wirken ihre schilderungen des aufzugs bzw. der fahrt im aufzug sehr beängstigend. Obwohl angel mehrfach betont, keine platzangst zu haben, wird ihre abneigung gegen enge bzw. abgegrenzte räume deutlich, da sie für sie eine potenzielle gefahr darstellen und sie ängstigen. Der aufzug steht symbolisch für die enge, die engel empfindet. Sie fühlt sich in ihrem eigenen körper eingesperrt
Das mit dem schnee ist eine wirklich schöne idee, weil ja, wie angel gesagt hat, schnee nur in offenen räumen fällt, wo es keine decke gibt, die sie vom himmel abgrenzt. Schnee steht hier symbolisch für freiheit und kälte, die ihr ja besser gefällt als die hitze der sonne und die enge in ihrer umgebung (fahrstuhl, das schwarze auto) bzw. in ihrem inneren.
Es ist ganz schön unheimlich, und auch tragisch, dass angel, sobald sie einen fluchtweg gefunden hat, trotzdem nicht entkommen kann. Sie fühlt sich auch offenbar fremd in ihrem körper, kann das sein? So sehe ich das zumindest, nach dem, was ich über sie erfahren habe. Sie empfindet ihren körper als gefängnis, aus dem sie gerne ausbrechen möchte.
Du stellst wie auch schon in den vorherigen kapiteln die gedanken und gefühle von angel sehr lebhaft und bildlich dar, was für atmosphäre sorgt.
Angels schroffe art gegenüber andrey lässt erkennen, dass sie ihrem früheren arbeitgeber, dem FBI, nicht sehr gut gesonnen ist. Das ist verständlich nach all dem, was sie bisher erlebt hat. Sie wurde ja oft gezwungen, die schrecklichen erlebnisse der toten vor ihrem tod mitzuerleben, und das war/ist sehr traumatisierend für sie. Sie hat solche angst und solches misstrauen gegenüber andrej, dass sie ihn scharf anspricht, weil dieser im vorherigen kapitel in ihrem kopf „rumgeschnüffelt“ hat. Sie kämpft sehr mit sich selbst. Sie ist zwar misstrauisch gegenüber andrey, aber sie bereut es sehr schnell und heftig, dass sie etwas zu ihm gesagt hat. Sie hat offenbar auch angst davor, andere menschen zu kränken bzw. abweisend zu ihnen zu sein. Das ist ein wesenszug wie ich ihn bei angel bisher noch nicht gekannt habe und verdeutlicht noch einmal ihren inneren konflikt.
Was mich erstaunt ist, dass angel, auch wenn sie keine „freunde“ in dem sinne hat, sich trotzdem regelmäßig mit menschen trifft. Ich dachte immer, dass sie es vorzieht, nur alleine zu leben. Das ist ein interessanter charakterzug von angel, denn das zeigt, dass sie im grunde auch ein ganz „normaler“ mensch ist und abwechslung in ihrem tristen alltag braucht und mit menschen in kontakt kommen will. Auch wenn sie bisher noch mit niemandem über ihre probleme, ihre sorgen und ängste gesprochen hat und es ihr offenbar auch sehr schwer fällt, über die dinge zu reden, die sie sieht (z.b. die gedanken der verstorbenen). Vielleicht wird sich das noch ändern? Vielleicht wird sie ja in einem späteren kapitel diesen leuten im club einen besuch abstatten?
„Es war schlimm genug, wenn solche Spinner von Rasern andere Menschen in Gefahr brachten. Doch sie legten es darauf an, durch die sie verfolgende Polizei unschuldige Leute mitreinzuziehen.“
In diesem Abschnitt wird auch deutlich, das angel andere, ihr unbekannte personen (ich meine damit andere personen außer denen, die auf grausame art und weise in ihren gedanken ums leben kommen und den leuten aus dem gothic-club) nicht gleichgültig sind, wo ich vorher angenommen habe, dass ihr unbekannte menschen egal sind. Faszinierend.
Dieses kapitel finde ich besonders abwechslungsreich. Das mit dem banküberfall und der wilden verfolgungsjagd durch die polizei hätte ich nicht erwartet. Das gibt einen zusätzlichen pluspunkt.
Ehrlich, ich hätte nicht erwartet, dass angel dieses erlebnis mit den kidnappern und der polizei so schwer verkraften würde. Ich dachte, so etwas sei aufgrund ihrer früheren arbeitserfahrung beim FBI „abgehärtet2, da sie ja dinge erlebt hat, die noch schlimmer waren als so ein banküberfall mit geiselnahme. Es kommt mir vor, dass angel ein psychisch eher labiler mensch ist, nach dem, was ich in diesem (und auch in den vorherigen) kapitel über sie erfahren habe, z.b. dass sie nur dann klar denken und funktionieren kann, wenn sie sich auf etwas oder jemand konzentrieren kann.
Eine gewisse todessehnsucht von angel lässt sich auch aus diesem kapitel herauslesen. Will angel lieber schmerz- und lautlos sterben, statt weiterzuleben? Das finde ich irgendwie verstörend.
Nun, warum schreibst du nicht einfach abwechselnd aus seiner und ihrer perspektive? Ich möchte mich nicht unbedingt einer fraktion zuordnen, aber ich fände es spannend und auch abwechslungsreich, wenn du auch mal aus seiner perspektive schreiben würdest. Deine geschichte ist wirklich sehr spannend geschrieben, aber ein perspektivenwechsel würde das ganze noch interessanter machen finde ich.
Also insgesamt hat mir dieses kapitel wirklich sehr gut gefallen. Mach weiter so :)
RE: probelesen, psycho´s angel kapi 3
in Schreiben bis die Hände bluten 02.10.2010 01:05von Pierrot_307 • Pie-Rat (Kuchenratti) | 235 Beiträge
Mit zügigen Schritten ließen wir den Parkplatz hinter uns und gingen die Treppe nach oben. Das Gebäude war mehr als nur protzig, aber es war ja auch auf Basis der Steuergelder erbaut worden. Konnte mir eigentlich komplett egal sein, ich hatte noch nie Steuern zahlen müssen. Einen Vorteil musste ein derart traumatischer Beruf ja schließlich haben.
Meinen Blick richtete ich geradeaus, ich wollte niemanden direkt ansehen. All jene, die ich während meiner Zeit hier kennen gelernt hatte, waren sicherlich schon längst in andere Abteilungen versetzt worden, doch ich wollte nicht riskieren, jemandem von diesen Leuten eventuell über den Weg zu laufen und ihnen in die Augen zu sehen.
Bevor wir jedoch in das Gebäude hinein konnten, stand erst einmal ein Sicherheitscheck bevor. Meine Daten waren noch im Computer gespeichert, ich gab also meinen Namen an den Sicherheitsbeamten durch und wir durften beide sofort passieren, nachdem man uns kurz auf Waffen und gefährliche Gegenstände durchleuchtet hatte.
Da ich nicht wusste, in welchem Raum man uns erwartete, fiel ich ein paar Schritte zurück und ließ mich von Andrey führen. Dieser trat, zusammen mit ein paar anderen, korrekt gekleideten Angestellten, in den nächsten freien Fahrstuhl.
Oh Happy Day! Was liebte ich diesen Mann!!
Erneut 6 stahlharte Platten um mich herum, noch dazu zusammengedrängt mit ein paar Spießern, die mich bereits jetzt mit Blicken auf den nächsten Scheiterhaufen warfen für mein Outfit.
Aber auch Andrey wurden sehr eindeutige Seitenblicke zugeworfen, was ich diesen Leuten nicht verdenken konnte. Er war ja schließlich immer noch vermummt. Beide in schwarz gefährdeten wir natürlich die heile Welt des Fahrstuhles, die momentan nur von der monoton dudelnden Lautsprechermusik aufrecht gehalten wurde.
Während der Fahrt herrschte bedrückte Stille, so als würde ein einziges Wort den Tod für denjenigen bedeuten, der es aussprach. Ich fand das nur zu komisch. Als ein Mann sich dann verlegen räusperte, hätte ich am liebsten schallend los gelacht.
Oha, ein Geräusch!
Es belustigte mich irgendwie und meine Stimmungsschwankungen machten das nicht gerade besser. Der Drang zu lachen breitete sich binnen Sekunden so stark in meinem Körper aus, dass ich kaum dagegen ankam.
Wie gesagt, solange Leute um mich herum waren, über die ich nachdenken konnte, war es mir möglich, den Raum so halbwegs auszublenden. „Wo müssen wir hin?“ sprach ich gen Andrey und ich konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie die Frau neben mir zusammen zuckte.
Was den Drang zu lachen nochmal verstärkte. „Sechster Stock, Zimmer 643.“ Brian saß also immer noch im selben alten Büro, wie damals. Dieser gefühllose Scheißkerl!
Als ich noch für ihn arbeitete, wurde ich manchmal das Gefühl nicht los, dass es ihm vielleicht sogar Gefallen bereitete, mich so unter den Erinnerungen leiden zu sehen, aber es war sicherlich nur meine Einbildung.
Seit mehr als 20 Jahren arbeitete er jetzt schon für diese Abteilung und hatte sich natürlich eine gewisse Kälte angeeignet, die es ihm ermöglichte, sich von jedem noch so schrecklichen Fall zu distanzieren, es nicht ständig mit sich herumzutragen, so wie ich dies musste.
Ich versuchte, Distanz zu halten, indem ich vergaß, was ich wusste, indem ich mich von diesem Gebäude und allem fern hielt, was ich mit damals in Verbindung brachte. Noch hielt es sich in Grenzen, dieses bescheuerte Gefühl, ich erinnerte mich daran zurück, als ich noch gerne 5 Tage oder mehr in der Woche hier hergekommen war, Fälle aufgeklärt und meine Eindrücke genauestens zu Protokoll gebracht hatte.
Seltsamerweise konnte ich mich nur vage an meine Fälle vor diesem verrückten Killer erinnern. Bei allen hatte ich zum Erfassen des Täters beitragen können, die Jagden nach ihnen waren vorbei. Bis auf diese eine...
Mehrmals öffneten und schlossen sich die Doppeltüren des Fahrstuhles, die Leute, welche ausstiegen, waren sichtlich erleichtert, dieser persönlichen Hölle entkommen zu sein, was meinen Drang zu lachen leider nicht minderte.
Dieser verebbte jedoch sofort, als Andrey und ich wieder allein in der Kabine waren. Fast augenblicklich brach mir wieder der Schweiß aus und meine Hände zitterten.
„Klaustrophobie?“ fragte er kurz angebunden und ich wollte ihn schon anpampen, dass er gefälligst nichts in meinem Kopf zu suchen hatte. Doch man musste mich nur anschauen, um darauf zu kommen, dass mir innerhalb dieses engen Raumes alles andre als wohl zumute war.
„Nein, ich mag dieses Geruckel nicht, das ist alles.“ gab ich zu verstehen, obwohl man von der Fahrt so gut wie gar nichts mitbekam. Die Technik war ziemlich neu. Andrey beließ es dabei und als sich die Türen im sechsten Stock öffneten, rauschte ich schnell und erleichtert aus dem künstlich beleuchteten Schlund.
Ich kannte den Weg noch immer, obwohl ich einige Jahre nicht hier gewesen war. Mein Orientierungssinn hatte mich noch niemals im Stich gelassen. Ohne anzuklopfen riss ich die schwere Holztüre auf, ignorierte das schmerzhafte Ziehen im Arm und stürmte zu dem Kerl, der seinen Arsch hinter dem protzigen Mahagonischreibtisch geparkt hatte. Eben jener Arsch war gerade in eine Akte vertieft, sah nicht einmal auf, als er meine schweren Schritte auf dem Teppich näher kommen hörte. Erst, als ich mit beiden Handflächen fest auf die Tischplatte schlug und seine Kaffeetasse mit der Aktion fast über den Rand auf den Teppich manövriert hatte, sah er mich gelangweilt an. Eine Augenbraue zog er fragend nach oben , so als wolle er mich gleich für mein Verhalten tadeln. Ich ließ ihn aber gar nicht erst zu Wort kommen. Mein Gesichtsausdruck wechselte gekonnt von Weißglut-verzerrt in ich-bin-geladen-aber-ich-grins-trotzdem-mal-scheiß-freundlich. „Hi, Brian!“ meinte ich etwas zu nett. „Was verschafft mir die Ehre meiner Anwesenheit hier? Irgend ein bescheuertes Formular, das ich noch unterschreiben muss? Oder ist mein verloren geglaubter Lieblingskugelschreiber wieder aus der Versenkung aufgetaucht?“
Brian sah mich weiterhin mit nach oben gezogener Augenbraue an und meinte lediglich „Setz dich!“.
Ich war keine 5 Minuten bei ihm und ging ihm schon jetzt wieder gehörig auf den Sack. Und um ehrlich zu sein, es hatte mir verdammt gefehlt, seine Nerven zu strapazieren. Erneut wollte ich lachen, wollte das Endorphinfeuerwerk, welches sich unaufgefordert in mir brannte, hinausprusten, lachen bis ich heiser war, aber ich konnte das nicht bringen, das wusste ich.
Es bestand immer noch die Gefahr, eingewiesen zu werden. Daran war ich trotz der Suizidversuche bisher immer knapp vorbei geschlittert.
Schwungvoll setzte ich mich auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch, Andrey nahm neben mir Platz und sagte weiterhin nichts. Brian legte die Akte beiseite und fischte einen in Folie eingeschweißten Zettel daraus hervor. „Das ist für dich... Ich denke du weißt von wem?“
Und in diesem Moment verebbte die nervtötende Euphorie ein für alle mal in mir. Ich schluckte schwer, spürte, wie die Spucke langsam meinen Hals hinab kroch, hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, daran ersticken zu müssen, weil der Kloß in meinem Hals auf einmal da war und wirklich ALLES blockierte, was durch den Hals entweder rein oder raus kam.
Mein Atem setzte für einen kurzen Moment aus, gleichzeitig verspannten sich meine Muskeln, als Brian mir den Fetzen vor die Nase hielt. Er hatte ihn wohl aus irgend einem Heft gerissen, die Seite war nicht groß und liniert. Zitternd nahm ich das Blatt entgegen, langsam und mit immer noch verspannten Muskeln.
Nur wenige Zeilen hatte er mir hinterlassen, doch ich erkannte die Schrift sofort wieder. Ein kalter, mit weisen Fliesen ausgelegter Raum, die schwarze Schrift an der Wand. Genau das Selbe wie beim ersten Opfer damals, das selbe Geseiere. Die Schrift verschwamm vor meinen Augen, ich fühlte Tränen aufsteigen, die ich nicht verhindern konnte. Das Blatt glitt mir aus der Hand und segelte langsam zu Boden, aber ich kannte den Text ja ohnehin schon.
„Schönheit liegt meist im Verborgenen.
Ich habe das Schöne oft im Inneren gesucht und dennoch nie gefunden.
Ich werde meine Suche erst dann einstellen, wenn du mich gefunden hast.“
Die erste Träne fiel auf den Teppich und im selben Moment fing ich an zu lachen. Lautes, freudloses, schallendes und verzweifeltes Gelächter hallte von den immer näher kommenden Wänden wider, vermischte sich mit meinen Tränen und ließ mich die Kontrolle über mein Handeln verlieren.
Als ich vornüber auf die Knie fiel, spürte ich einen starken, dünnen Arm auf meinem Bauch, der mich vor der Kollision mit dem Schreibtisch bewahrte. Ich wusste nicht, woher dieser Arm gekommen war oder zu wem er gehörte, alles verschwamm zu einem einzigen grau-braun Ton. Ich lachte und weinte. Weinte und lachte. Schallend, freudlos, laut. Und wünschte mir erneut, aus meinem Körper, aus diesem Zimmer und aus diesem Gott verdammten Gebäude verschwinden zu können, weg weg einfach weg!
Alles hinderte mich am Atmen, drückte mir auf die Schultern, ich fühlte mich eingesperrt in mir selbst, in meinem Leben, in meinem Körper. Doch egal, wo auch immer ich hingehen würde, dieser Kerl würde mich finden, ich würde ihm niemals entkommen, bis er zur Strecke gebracht worden war. Er liebte enge, dunkle Räume und hatte sich mit den Morden an den jungen Frauen für immer in meine Erinnerungen gebrannt...
Nein, ich litt nicht unter Raumangst, aber die Erinnerungen machten es nicht gerade besser...
RE: probelesen, psycho´s angel kapi 3
in Schreiben bis die Hände bluten 28.11.2010 04:15von Pierrot_307 • Pie-Rat (Kuchenratti) | 235 Beiträge
4. Eyes – Augen
*Andrey*
Zusammengekauert saß Angel vor dem Schreibtisch, ihr Lachen war nur noch ein leises Wimmern, doch die Tränen der Angst und der Verzweiflung flossen nach wie vor.
Andrey, der sie vor dem Zusammenprall mit dem Schreibtisch bewahrt hatte, stand nun neben ihr und wurde erwartungsvoll von Mr. Sheldon angesehen. Doch er sah keinen Grund, zu handeln. Angel würde sicher nicht auf ein „steh auf Mädchen, ist doch halb so wild!“ reagieren und auf derlei Gesülze hatte er absolut keine Lust. Er könnte natürlich versuchen, in ihre Gedanken einzudringen, notfalls mit Nachdruck, doch er verwarf diesen Gedanken.
„Und nun?“ fragte Andrey und deutete auf die am Boden kauernde, wimmernde Person. Sie war ihm eigentlich egal, so egal wie all die andren Menschen auch, doch Angel war vermutlich die Einzige, die ihm in diesem Fall weiterbringen könnte. Nur schwer hatte er sich eingestehen können, dass selbst seine Kräfte irgendwann einmal an ihre Grenzen stießen und er auf Hilfe angewiesen war. Und um das sicherzustellen, war sowohl ihr körperliches wie auch ihr seelisches Wohl von Bedeutung.
Mr. Sheldon zuckte jedoch nur mit den Schultern. Seine Augen blieben gelassen ausdruckslos wie die eines künstlichen Menschen, eines Cyborgs, der nicht in der Lage war irgend etwas zu fühlen.
„Wir warten einfach ab, bis sie sich wieder gefangen hat. Glauben sie mir, das ist nicht das erste Mal das so etwas passiert. In spätestens 5 Minuten ist sie wieder ansprechbar.“
Dieser Kerl war ihm unheimlich. Nicht, dass ihn diese Gefühlskälte störte, er selber war ja in der Hinsicht keine Spur besser. Nein, es lag wohl eher an der Tatsache, dass er, Andrey, nicht in der Lage war, die Gedanken von diesem Kerl zu lesen. Er hatte zwar in Erfahrung bringen können, dass Sheldon ein Gerät am Hals trug, unterhalb seines Hemdkragens, welches nach dem Prinzip der antrainierten Blockade funktionierte, mit der Angel ihn aus ihrem Kopf geworfen hatte. Doch dies wollte Andrey nicht glauben. Angel hatte ihn einfach unsanft hinausgeworfen und eine Art mentalen Riegel vorgeschoben, sodass er nicht mehr in ihre Gedanken hineinkam. Er konnte ihren Widerstand förmlich SPÜREN, doch bei Sheldon... nichts. Überhaupt nichts. Weder ein Widerstand noch der Hauch von irgendwelchen Gedanken. Der Kerl war wie tot. Als hätte diese Person keinerlei Gedanken, als wäre er wirklich kein Mensch und diese ausdruckslosen Augen das einzige Indiz dafür.
Eine gefährliche Veränderung um Angel herum ließ Andrey in Verteidigungshaltung gehen, fast zeitgleich spürte er den heißen Lufthauch schon knapp an sich vorbeiziehen, der Sheldons Notizblock zuerst an den Rändern schwarz färbte und ihn letzten Endes entflammte. Nun kam doch ein ganz klein wenig Leben in die Augen des Cyborgs, er griff schnell nach seiner Kaffeetasse und löschte den Brand mit dem Kommentar: „DAS hat sie noch nie gemacht! Stehen sie nicht herum wie ein Ölgötze! Unternehmen sie etwas!!“ bellte dieser Andrey an, was Andrey jedoch zuwider war. Aber in Anbetracht der Situation zog er es vor, zu gehorchen, kommentarlos, obwohl dies eigentlich nicht seine Art war. Erneut blickte er Angel an, die nun stillschweigend auf dem Boden kniete und sichtlich überhaupt nicht mehr wahrnahm was um sie herum geschah. Keine Tränen schimmerten mehr in ihrem Gesicht, ihr Blick war nahezu seelenlos und weit in die Ferne gerichtet, wie hypnotisiert. Andrey kannte diesen Ausdruck nur zu gut. Oft genug hatte er ihn in den Augen der zahlreichen Leichen gesehen, die leider Gottes Teil seiner Arbeit waren.
Allein der Teppichboden, der in einem Umkreis von 30 Zentimetern um sie herum nach und nach Brandflecke bekam, war das einzige Zeichen, dass die Kleine noch lebte. Bevor einer von ihnen jedoch Brandflecke bekommen konnte, schritt Andrey auf die junge Frau zu, beugte sich zu ihr herunter, packte sie am Kragen ihrer Jacke und ohrfeigte sie einmal kräftig. Der Schlag hallte wie ein Schuss durch das Zimmer.
Er sah nicht ein, weshalb er mit vergeblichen, „sanften“ Methoden seine Zeit und Geduld verschwenden sollte, wenn diese primitive, einfache Methode fast augenblicklich Erfolg zeigte. Verwirrt blinzelte Angel mehrmals Andrey an, der Glanz in jenem Blick war schwach, aber er war wieder da.
Andreys Augen blickten sie hart und ungeduldig an, sie wusste nicht was gerade geschehen war. Trance. Ein Zustand unendlicher Angreiffbarkeit...
„Hast du dich endlich wieder beruhigt?“ fragte Andrey kalt und ließ sie los. Beschämt nickte Angel und setzte sich mit hängendem Kopf wieder auf ihren Stuhl. „Nun denn...“ setzte Mr. Sheldon an und lockerte sich die Krawatte etwas. Andrey lächelte schwach unter seinem Schal. Da war der Ami doch etwas ins Schwitzen geraten. „Nehmen sie die Akten bitte mit und arbeiten sie sich durch. Morgen erwarte ich sie beide um 8 Uhr hier bei mir, wo ich ihnen weitere Anweisungen geben werde. Ich wünsche ihnen beiden einen schönen-“
Noch bevor er „Tag“ sagen konnte, hatte Angel bereits die Akte geschnappt und war wortlos hinaus auf den Gang gestapft. Andrey rollte mit den Augen und ging hinterher. Es gab nur einen guten Grund, weshalb er sie nicht auf der Stelle am Kragen packte, sie gegen die Wand drückte und ihr gehörig die Leviten las, denn dieses kindische Getue fing langsam an, ihm gehörig auf die Nerven zu gehen. Sie war sehr schön, das ließ sich nicht verleugnen und sie gehörte wohl der Minderheit an, die sich nichts darauf einbildete. Dennoch, ihre aufgesetzt-provokante Art, das abweisende Verhalten, das ganze „ich-trag-schwarz-und-gucke-finster-also-fass-mich-nicht-an!“ Gehabe... Andrey hatte einfach zu viel Menschenkenntniss um genau zu wissen, dass sie mit diesem Verhalten nur eines provozieren wollte: Aufmerksamkeit.
Ihr ganzes Verhalten und selbst der Ausdruck in ihren Augen, in den „Spiegeln der Seele“, wie manche Leute sie nannten, schrien geradezu „Sei für mich da! Hilf mir!“ Sei es nun beabsichtigt oder rein unterbewusst, sie WOLLTE eigentlich eine Person, die für sie da war, BRAUCHTE eine Schulter zum Anlehnen und Andrey befürchtete, dass sie diese Person früher oder später in ihm sehen würde. Und DAS war ein Ding der Unmöglichkeit. Andrey HASSTE es, andre berühren zu müssen und berührt zu werden. Er fürchtete sich nicht so sehr davor wie Angel, er ekelte sich geradezu davor. Er konnte Berührungen nicht ertragen, die Gedanken, die Tagtäglich auf ihn einprasselten, waren schon schlimm genug.
Sie waren lediglich Partner in einem Fall, nicht mehr und nicht weniger. Nun gut, Dies stimmte nicht ganz, aber davon wusste Angel nichts. Mr. Sheldon hatte ihn, Andrey, beauftragt, darauf zu achten, dass Angel keinerlei Suizidversuche mehr unternahm, notfalls sogar mit Gewalt. Andrey würde es, genau wie Sheldon, Angel nicht auf die Nase binden. Er tat dies schließlich nicht aus Nächstenliebe, sondern nur, um den Fall endlich abschließen zu können. Punkt.
Angel ging mit schnellen Schritten auf den Fahrstuhl zu, blieb jedoch abrupt stehen und schlug mit einem Wutschrei ihre rechte, freie Faust gegen die mit Holz getäfelte Wand. Ein Glück, dass sie geschwächt war, sonst hätte sie sich leicht etwas brechen können, doch Andrey hörte keine Knochen bersten.
„Dieser ARSCH!“ schrie Angel, holte erneut aus, wurde jedoch von Andrey zurückgehalten. „Lass das!“ befahl er ihr zischend und spürte augenblicklich die Wut, die in ihrer Seele lag, auf sich ruhen. Vielleicht bildete er sich das nur ein, aber Angels stahlblaue Augen schienen... in der Farbe intensiver geworden zu sein. „Warum könnt ihr mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich WILL das alles nicht, verdammt, ich WILL das nicht mehr!“
Immer noch wütend versuchte sie, sich von Andrey loszureißen, doch dieser hielt sie fest. Nach ein paar vergeblichen Versuchen resignierte sie uns stützte ihren Kopf an seiner Brust ab. >Na toll!< dachte Andrey und sah den Gang entlang, wo jemand vorsichtig auf den Gang blickte, ihm in die Augen sah und gleich darauf wieder verschwand. >Keine 10 Minuten lang Partner und schon bin ich ihre seelische Stütze. Das geht ja sehr gut los!< „Lass das!“ Andrey schaffte es gerade noch so, ein „Bitte“ hinten anzufügen, damit es noch halbwegs höflich klang. „Hör auf, dich ständig selber zu bemitleiden und komm.“ Er ließ sie los und ging auf die Treppe zu, in der Hoffnung, dass die Bewegung ihnen beiden half, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Der Drang, ihr den Kopf zu waschen, blieb nach wie vor. Andrey konnte sie nicht verstehen, konnte ihren Kummer in keinster Weise nachvollziehen. Sie hatte wenigstens eine schöne Erinnerung an ihre Kindheit, die er niemals würde besitzen können, so viele Gedanken er auch lesen würde. Sie hatte ein schönes, ansehliches Antlitz, wovon er wiederum nur träumen konnte. Sie musste nicht permanent die Gedanken der ihn umgebenden Menschen ertragen, sie MUSSTE andre berühren, hatte also wenigstens Nachts ihre Ruhe. Und nun stand die kleine Göre hier und jammerte, weil sie nicht in der Lage war, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten?
Das würde eine sehr effektive Partnerschaft werden, soviel stand fest...
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